GLENCORE – Die Anatomie einer vergifteten Welt

Veröffentlicht am 17. Juni 2025 um 10:19

Es gibt Konzerne, die stehen nicht nur für Profit, sondern für eine Ideologie. Für eine Weltsicht, die die Würde des Lebens der Bilanz unterordnet. Glencore ist genau das.

Ein Konzern, der das industrielle Zeitalter der Ausbeutung perfektioniert hat. Kein Fehler im System. Sondern das System selbst.

Ich habe mich lange mit diesem Unternehmen beschäftigt. Nicht aus meiner Neugier. Sondern aus Zorn. Aus dieser bitteren Mischung aus Ohnmacht und Wut, die entsteht, wenn man erkennt, wie sehr der globale Reichtum auf den Knochen anderer gebaut wird. Und wie bereitwillig meine eigene Heimat, die Schweiz, diese Maschine schützt, füttert, legitimiert.

Glencore sitzt in Zug. Saubere Straßen, gepflegte Fassaden, stille Banken. Hier wird die Gewalt verwaltet, die an Orten stattfindet, die weit weg genug sind, um sie nicht riechen, hören, fühlen zu müssen. Hier rechnet man auf Bildschirmen den Profit jener Kinder aus, die in den Stollen des Kongo auf Knien Kobalt schürfen. Hier optimiert man die Lieferketten jener Kohle, für die in Kolumbien indigene Gemeinden vertrieben wurden. Hier zählt man die Dividenden, während in Sambia giftige Abgase die Lungen von Kindern verätzen.

Und ja, ich sage es bewusst: Kinder. Nicht Arbeiter. Nicht abstrakte Zahlen. Kinder, deren Leben für unsere technischen Spielzeuge ausgepresst werden. Für unsere sauberen Batterien, unsere grünen Autos, unsere Windturbinen. Für eine Energiewende, die am Ende doch wieder nur den Profit einiger weniger maximiert.

Glencore betreibt im Kongo die Minen Mutanda und Kamoto. Namen, die kaum jemand kennt. Dabei liefern sie einen Großteil des Kobalts, das in jedem Akku unserer Smartphones und Elektroautos steckt. Amnesty International, die BBC, zahlreiche NGOs dokumentierten seit Jahren: Kinder unter zehn Jahren arbeiten in diesen Minen. Sie atmen den feinen Staub ein, sie riskieren Erdrutsche, sie sterben. 2019 begrub ein einziger Hangrutsch 43 Arbeiter. Die Glencore-Manager nannten es einen "tragischen Unfall". Für die Familien war es nichts anderes als kalkuliertes Töten.

Direkt neben den Minen wird der Luilu-Fluss langsam zu einer giftigen Wunde. Die Abwässer der Raffinerien kippen Jahr für Jahr hochkonzentrierte Säure in das Gewässer. pH-Wert 1,9 – purer Tod für alles, was lebt. Fische verschwinden, Böden verätzen, Menschen erkranken. Glencore installiert Filteranlagen, verkündet Umweltschutz – und lässt das Wasser weiter verseuchen. PR ersetzt Moral.

Doch der Kongo ist nur ein Schauplatz dieser Industrie der systematischen Vernichtung. In Kolumbien, an der Cerrejón-Mine, wiederholt sich das Muster. Blutkohle nennen es die Aktivisten. Indigene Gemeinden werden von ihrem Land vertrieben, Wasserquellen umgeleitet, paramilitärische Gruppen sichern die Interessen der Konzerne. Währenddessen landet diese Kohle sauber verpackt in europäischen Kraftwerken. Keine Spur von Blut mehr zu sehen, wenn der Strom fließt.

Und Sambia? In den Mopani Copper Mines pumpte Glencore über Jahrzehnte giftiges Schwefeldioxid in die Luft. Werte bis zum 70-fachen des WHO-Grenzwerts. Kinder mit zerstörten Atemwegen, Schwangere mit Fehlbildungen, ganze Städte unter einem Schleier aus Gas. Erst als internationale Proteste lauter wurden, installierte man rudimentäre Filter. Der irreversible Schaden blieb.

Es ist die gleiche perfide Logik, egal auf welchem Kontinent: Maximale Ausbeutung bei minimaler Verantwortung. Gewinne werden nicht dort versteuert, wo der Rohstoff entnommen wird. Sondern dort, wo die Steuergesetze lächerlich sind. In der Schweiz. In Briefkastenfirmen. In Schattenbanken. Milliarden wandern aus den rohstoffreichen Ländern direkt in die Tresore der Wohlstandsregionen. Und die Schweiz? Sie bietet dafür den perfekten Schutzraum. Neutral, diskret, steueroptimiert.

Doch selbst dort, wo Glencore beim Lügen erwischt wird, bleibt das System stabil. 2022 enthüllten die Behörden der USA, Großbritanniens und Brasiliens jahrelange Bestechungsnetzwerke. Über eine Milliarde Dollar an Schmiergeldern flossen, um Förderrechte und Staatsaufträge zu sichern. Die Strafen? In Summe 1,5 Milliarden Dollar. Ein Bruchteil dessen, was der Konzern in diesen Jahren verdiente. In der Schweiz? 150 Millionen Franken. Keine Manager vor Gericht. Keine Haftstrafen. Keine Verantwortung. Nur das bekannte Mantra: "unzureichende Organisation".

Ich nenne es beim Namen: staatlich geschützte Beihilfe zum Raub.

Denn Glencore zeigt uns, wie tief die Heuchelei reicht. Dieselben Politikerinnen, die auf Klimakonferenzen Reden halten, die denselben Wählerinnen die Dringlichkeit der Energiewende predigen, wissen ganz genau, auf welchem Blutteppich diese Wende gebaut wird. Kobalt, Nickel, Kupfer, Kohle – all diese Rohstoffe werden nicht klimaneutral gefördert. Sie werden mit denselben kolonialen Methoden ausgebeutet wie vor hundert Jahren. Nur dass wir heute bessere PR-Agenturen dafür haben.

Jean Ziegler brachte es präzise auf den Punkt, als Glencore den Black Planet Award erhielt: „Glencore verletzt täglich fundamentale soziale Menschenrechte. Der Konzern ist verantwortlich für tödliche Umweltzerstörung, die Vertreibung von Bauern und Indigenen und die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Millionen.“

Die Gewerkschaften schreien es seit Jahren in die Welt. Kemal Özkan von IndustriALL: "Glencore kann seine Verantwortung nicht länger ignorieren, während die betroffenen Gemeinschaften weiter leiden. Wir kämpfen seit Jahren und werden nicht schweigen."

Und doch: Es passiert nichts. Gar nichts.

Warum? Weil es keine Fehler sind. Es ist kein Ausrutscher. Es ist keine Entgleisung. Es ist schlicht und einfach: Kapitalismus in seiner präzisesten Form. Extraktion. Gewinnmaximierung. Externalisierung der Kosten. Der Süden stirbt, der Norden rechnet.

An diesem Punkt wird die Philosophie zur Waffe. Denn Glencore zeigt die ganze Absurdität unserer Gegenwart: Wir reden von Verantwortung, aber meinen Profit. Wir reden von Nachhaltigkeit, aber meinen Wachstum. Wir reden von globaler Gerechtigkeit, aber leben von der Ungerechtigkeit, die andere tragen müssen.

Und die Schweiz? Meine Heimat? Sie ist nicht Beobachterin. Sie ist Mittäterin. Die Banken, die Behörden, die Steuergesetze – sie alle halten diese Maschine am Laufen. Die viel beschworene Neutralität ist längst nichts als ein Schutzschild für das Kapital geworden. Eine Fassade, die es ermöglicht, mit weißem Hemd zuzusehen, wie anderswo die Flüsse sterben.

Deshalb sage ich es deutlich: Glencore muss bekämpft werden. Nicht beobachtet. Nicht reguliert. Nicht beraten. Bekämpft.

Bekämpft durch konsequente politische Ächtung. Bekämpft durch internationale Strafprozesse. Bekämpft durch Boykotte der Produkte. Bekämpft durch den Rückzug von Investitionen. Bekämpft durch gesellschaftlichen Druck. Und wo nötig: durch direkte Aktionen, die diese Maschine stören, behindern, blockieren.

Denn wer weiter still konsumiert, wird selbst Teil dieser Kette. Wir alle müssen unsere eigenen Hände betrachten. Jede Batterie, jedes Smartphone, jede Aktie trägt den Abdruck dieser Gewalt. Und genau deshalb reicht es nicht, auf andere zu zeigen.

Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Und es ist Zeit, den Kern des Problems nicht länger zu umkreisen. Dieser Konzern zerstört systematisch Leben. Er ist nicht reformierbar. Er muss gestoppt werden.

Glencore ist kein Unternehmen. Glencore ist eine Wunde. Eine Wunde, die wir endlich schließen müssen.

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